Markus Brozio:
"Anwendung des Dualen Entwurfs auf die Entwicklung eines robotergesteuerten
3D-Nähsystems" (Auszug)
5 Die Pilotanlage Bekleidung des Integrierten 3D-Nähsystems
5.1 Überblick
Die Pilotanlage Bekleidung ist zur Fertigung des in Kapitel 3.4.2 ausgewählten Rocks ausgelegt. Sie umfaßt alle unbedingt notwendigen Komponenten vom Zuschnitt bis zum Schließen der Seitennähte. Im einzelnen sind dies ein Einzellagenzuschnitt, ein automatisches Hängetransportsystem, drei konventionelle 2D-Arbeitsplätze und die 3D-Nähzelle.
Am Anfang der Pilotanlage steht eine automatische optische Fehlererkennung, die die vom Stoffhersteller als fehlerhaft markierten Stellen erkennt. Diese Informationen werden an das zentrale Leitsystem weitergeleitet, wo sie für die "Streckung" des Schnittbildes unter Umgehung der fehlerhaften Stoffpartien verwendet werden. Der Zuschnitt selbst erfolgt einlagig mit einem angetriebenen Rundmesser. Im Anschluß an das Schneidfenster befindet sich der Abräumbereich. Hier werden die zugeschnittenen Einzelteile (Vorderrock, linker und rechter Hinterrock, Bund, Schlaufen) von einem Menschen abgeräumt.
Die abgeräumten Teile mit Ausnahme der Schlaufen werden in das Transportsystem gegeben, wo sie mit einem eindeutig identifizierbaren Träger verknüpft werden. Das Transportsystem sortiert und puffert die Einzelteile und transportiert sie zunächst zu den 2D-Arbeitsplätzen "Rückenteil versäubern" und "Hintere Mitte schließen" (jeweils nur Hinterrock) bzw. zum Arbeitsgang "Abnäher schließen" (alle). Bei der Bearbeitung an diesen Stationen bleiben die Teile in den Halteelementen des Transportsystems eingeklemmt.
Die Übergabe an die 3D-Nähzelle erfolgt durch die waagerechte Ablage der Einzelteile auf einen Hubtisch. Dieser senkt sich in die Positionserkennungsstation. Hier wird die genaue Position des Teils mit Hilfe einer automatischen Bilderkennung erfaßt, um dem Greifer die genaue Lage mitzuteilen. Der an einem Roboter montierte Greifer transportiert die Teile zum liegend angeordneten Formkörper, auf dem sie faltenfrei aufgelegt werden. Nachdem der Hinterrock aufgelegt wurde, wird dieser mit Halteelementen festgeklemmt, um anschließend den Formkörper um 180° zu drehen. Nun wird der Vorderrock aufgelegt und festgeklemmt. Die von einem Roboter geführte Safety-Nähmaschine schließt jetzt zuerst eine Seitennaht und nach einer erneuten Drehung des Formkörpers die zweite. Abschließend wird die geschlossene Rockhülle vom Formkörper abgezogen und der Weiterbearbeitung zugeführt. Hierzu zählen das Vorbereiten und Ansetzen des Bundes, die Fertigung und das Einnähen des Futters sowie das abschließende Bügeln.
5.2 Die Komponenten im Detail
[...]
5.3 Vor- und nachgelagerte Arbeitsstationen
Die nicht im Integrierten 3D-Nähsystem angeordneten weiteren Arbeitsplätze, die zur vollständigen Fertigung des Rocks erforderlich sind, sind in der Pilotanlage in derselben Halle angeordnet, so daß möglichst kurze Transportwege entstehen. An vorgelagerten Arbeitsstationen erfolgen die Fertigung des Futters und den Bundes, wobei diese auch mit dem Einzellagencutter zugeschnitten werden. Im Anschluß an den letzten Arbeitsgang in der 3D-Nähzelle erfolgen noch zahlreiche Arbeitsschritte, die in Tabelle 3-2 und Tabelle 3-3 beschrieben sind. Die notwendigen Arbeitsplätze werden unverändert aus der bisherigen Fertigung übernommen. Bei sehr leistungsfähigen 3D-Nähsystemen, die mehr als einen Rock pro Minute fertigen können, müssen die vor- und nachgelagerten Arbeitsplätze in ausreichender Anzahl vorhanden sein, um eine vollständige Auslastung des Nähsystems zu gewährleisten (Zweig 1997).
5.4 Fazit
Alle Teilsysteme des Integrierten 3D-Nähsystems wurden von einem Netzwerk aus Hochschulinstituten und Unternehmen entwickelt und prototypisch realisiert. Einen wesentlichen Beitrag hierzu leistete die vom Verfasser durchgeführte und in Kapitel 4 dargestellte Reflexion des Entwicklungsprozesses mit Hilfe der Methode des Dualen Entwurfs. Die einzelnen Schnittstellen zwischen benachbarten Systemen wurden von den jeweils beteiligten Partnern in Kooperation entwickelt und in Simulationsläufen getestet, so daß deren Funktionsfähigkeit gezeigt werden konnte.
Das technische Ziel des Verbundprojekts war die Entwicklung eines automatisierten Nähsystems, das Bekleidung auf einem sehr hohen Qualitätsniveau herstellen kann und gleichzeitig den sich ständig ändernden Marktanforderungen durch seine Flexibilität gerecht wird. Die Überprüfung dieser Ziele ist der Inhalt der folgenden Kapitel, in denen zunächst die qualitäts- bzw. flexibilitätsrelevanten Aspekte herausgearbeitet werden, bevor sie einer qualitativen Bewertung unterzogen werden.