Markus Brozio:
"Anwendung des Dualen Entwurfs auf die Entwicklung eines robotergesteuerten 3D-Nähsystems" (Auszug)

4 Der Duale Entwurf als Methode für den angemessenen
Automatisierungsgrad

4.1 Die Methode des Dualen Entwurfs

Das Integrierte 3D-Nähsystem stellt einen neuen technischen Prozeß dar, der zu einem neuen Prozeß menschlicher Arbeit führt. Die Verknüpfung beider Prozesse erfolgt immer durch eine Mensch-Maschine-Schnittstelle. Selbst bei hochautomatisierten Systemen existiert eine solche Schnittstelle, z. B. in Form eines Leitstandes (Bild 4-1).

Bild 4-1: Mensch-Maschine-System (Ochterbeck 1989)

Zur Gestaltung von Mensch-Maschine-Systemen hat Ochterbeck (1989) die allgemeine Methode des Dualen Entwurfs entwickelt. Der Duale Entwurf hat zum Ziel, bei der Entwicklung von Mensch-Maschine-Systemen eine optimale Kombination zwischen technischen und tätigkeitsorientierten Lösungen zu finden. Hierzu werden zunächst Lösungsvarianten konzipiert und in das Schema nach Bild 4-2 eingeordnet. Anschließend wird in einem iterativen Prozeß, der durch die Pfeile angedeutet wird, die Lösung entwickelt.

Bild 4-2: Das Prinzip des Dualen Entwurfs (Ochterbeck 1989)

Für die Anwendung des Dualen Entwurfs in der Praxis sind Werkzeuge, z. B. in Form von praxiserprobten Vorgehensweisen, erforderlich. Beim Dualen Entwurf hat sich die Unterteilung in eine Analysephase und eine folgende Synthesephase bewährt (Bild 4-3), die in insgesamt elf Einzelschritte von der Ist-Analyse bis zur Implementierung des Systems untergliedert sind.

Phase 1
Analysephase
  • Ist-Zustand analysieren
  • Modell bilden
  • Lösungsvarianten aufzeigen und ggf. simulieren
Phase 2
Synthesephase
  • Alternativen auswählen
  • "Planfeststellung" durchführen
  • Arbeitsplatzinhalte entwerfen
  • Komponenten entwerfen und Prototypen realisieren
  • Komponenten interaktiv erproben
  • Auswahlentscheidung treffen
  • Einsatzkomponenten realisieren
  • System implementieren

Bild 4-3: Dualer Entwurf - Entwurfsphasen (Ochterbeck 1989)

Im folgenden Kapitel 4.2 werden die im Projekt entwickelten Lösungsvarianten zur Ermittlung des optimalen Automatisierungsgrades für das gesamte Integrierte 3D-Nähsystem anhand der Entwicklung des Anlagenlayouts durchlaufen und reflektiert. Die an den Entwurfsphasen aus Bild 4-3 orientierte Vorgehensweise wird im Kapitel 4.3 anhand der zentralen und technisch anspruchsvollsten Komponente, der 3D-NÄhzelle, dokumentiert.

4.2 Die Lösungsvarianten des Integrierten 3D-Nähsystems

[...]

4.3 Anwendung der Entwurfsphasen nach Ochterbeck auf die 3D-Nähzelle

[...]

4.4 Fazit

In mehr als vier Jahren Projektlaufzeit wurden mehrere Varianten des Integrierten 3D-Nähsystems für die Bekleidungsfertigung entwickelt, die zur Reflexion in das Schema des Dualen Entwurfs eingeordnet wurden. Die abschließenden Betrachtung ergibt, daß aus der Vision der vollständigen Automatisierung eines bisher manuellen Fertigungsprozesses schließlich ein teilautomatisiertes System entstanden ist, in dem die wesentlichen technologischen Neuerungen realisiert wurden. In zukünftigen Schritten kann der Automatisierungsgrad dann durch die Entwicklung weiterer Systeme gesteigert werden. Rückblickend wird deutlich, daß eine hochautomatisierte Vision eine motivierende Herausforderung für die Entwickler darstellte und für die Entwicklung des Systems förderlich war. Wichtig war dabei das Bewußtsein, daß aus Ressourcengründen nicht alle Automatisierungsziele erreichbar waren und daher Abstriche im Automatisierungsgrad gemacht werden mußten. Die Reflexion des jeweiligen Entwicklungsstandes mit Hilfe der Methode des Dualen Entwurfs unterstützte den Entwicklungsprozeß an dieser Stelle.

Neben der Reflexion während des Projektverlaufs unterstützt auch die im Zwischenfazit (Kapitel 4.2.6) erarbeitete Einordnung aller Stufen in ein Schema des Dualen Entwurfs zukünftige Technikentwicklungsprojekte, indem die Methode des Dualen Entwurfs nicht nur als Entwurfsmethode zur Lösungsfindung vor der Realisierung unterstützend eingesetzt werden kann, sondern auch eine methodische Hilfe für Prozeßverantwortliche während eines Entwicklungsprozesses darstellt.

In einem weiteren Schritt konnten durch die Anwendung einer praxiserprobten Vorgehensweise, die sich aus der theoretischen Methode des Dualen Entwurfs ableitet, für die vielen Einzelsysteme der 3D-Nähzelle technische Lösungen gefunden und erfolgreich realisiert werden. Dabei bestanden häufig Abhängigkeiten zwischen den Teilsystemen, wie z. B. die, die durch die Entscheidung für einen horizontale Anordnung der Positionserkennung sehr deutlich wurden. Schließlich wurden Lösungen für die 3D-Nähzelle und ein Automatisierungsgrad für das Gesamtsystem gefunden, die die verfügbaren zeitlichen und finanziellen Ressourcen, die technischen Grenzen und die menschlichen Fähigkeiten bei der Realisierung berücksichtigten. Die Beschreibung des realisierten Systems erfolgt im nächsten Kapitel, bevor in den Kapiteln 6 und 7 die Systeme in bezug auf die Zielgrößen Qualität und Flexibilität betrachtet werden.